Der Bauherr hat Anspruch auf die Planunterlagen

Nach Bauvollendung oder bei vorzeitiger Auflösung eines Architekturvertrags gibt es oft Diskussionen über den Umfang der vom Architekten zu liefernden Pläne und Dokumente sowie über die Frage, ob der Architekt zum Zurückhalten dieser Unterlagen berechtigt ist, bis der Bauherr die Honorar-Schlusszahlung leistet.

Welche Unterlagen der Architekt als Dokumentation über das Bauwerk dem Bauherrn abzugeben hat, muss vereinbart werden. Wird der Architekturvertrag auf der Grundlage der SIA-Ordnung 102 (Ordnung für Leistungen und Honorare der Architektinnen und Architekten) abgeschlossen, regelt diese, welche Dokumente in den Grundleistungen des Architekten inbegriffen (z. B. Eintragung der während der Bauausführung vorgenommenen Änderungen in den wichtigsten Bauplänen, Einholen der von den Spezialisten nachgeführten Pläne, Ge- brauchsanweisungen usw.) und welche besonders zu vereinbaren sind (z. B. Erstellen von neuen Bauplänen entsprechend der Ausführung, Eintragen von umfangreichen Gebäudeinstallationen, Verkaufsprospekte). Nach der SIA Ordnung 102 ist die Dokumentation über das Bauwerk in der letzten Teilphase der Architektenleistungen enthalten.

Werkvertragliche Regeln

Haben die Parteien keine Vereinbarungen über die Fälligkeit des Honorars getroffen, gelten für die Erstellung der Pläne die werkvertraglichen Regeln, wonach die Vergütung erst nach Vollendung und Ablieferung fällig wird. Die SIA-Ordnung 102 sieht vor, dass der Architekt Anspruch auf Abschlagszahlungen von mindestens 90 % der vertragsgemäss erbrachten Leistungen hat. Mit der Schlussabrechnung wird das restliche Honorar für die erbrachten Leistungen zur Zahlung fällig.

  • Hat der Architekt in diesem Zeitpunkt die vertraglich geschuldete Dokumentation dem Bauherrn noch nicht übergeben, ist die Schlusszahlung nicht fällig.
  • Hat der Architekt zwar vollständig seine Leistungen erbracht, aber schlecht erfüllt, kann der Bauherr Nachbesserung verlangen und gleichzeitig die geschuldete Schlusszahlung verweigern, bis die Nachbesserung ausgeführt ist (Art. 82 OR).
  • Verweigert der Architekt die Nachbesserung, beispielsweise der Dokumentation, entfällt zwar das Rückbehaltungsrecht, hin- gegen kann der Bauherr wegen Schlecht-Erfüllung (Art. 97 OR) die Herabsetzung des Honorars verlangen.

Es empfiehlt sich, bereits vor Vertragsunterzeichnung sowohl Zeitpunkt wie Umfang, Inhalt und Form (Datenträger, Papier) der zu liefernden Dokumente klar festzulegen.

Dazu gehören

  • Bewilligungsakten,
  • Pläne,
  • Unternehmerverzeichnis,
  • Baubeschrieb,
  • Bauabrechnung,
  • allfällige Gebrauchsanweisungen und Weisungen für den Gebäudeunterhalt,
  • Garantiescheine sowie
  • Unterlagen der Fachingenieure und Spezialisten.

Bei vorzeitiger Vertragsauflösung erlischt die Vorleistungspflicht des Architekten, und die beidseitigen Leistungen sind Zug um Zug, das heisst gleichzeitig zu erfüllen. Nach der SIA- Ordnung 102 verbleibt das Eigentum an den Erzeugnissen seiner Arbeit beim Architekten. Er muss dem Bauherrn jedoch auf dessen Rechnung Kopien erstellen. Steht dem Bauherrn aus der Schlecht-Erfüllung des Vertrags ein Anspruch auf Schadenersatz zu, kann er diesen unter den Voraussetzungen von Art. 120 ff. OR verrechnen. Selbst wenn der Honoraranspruch durch die Verrechnung auf null schrumpft, darf der Architekt die Herausgabe der Dokumen tation nicht verweigern.

Quelle: Marie-Theres Huser Rechtsanwältin baurecht.ch