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«Der Bauherr trägt das Baugrundrisiko!», lautet ein von Unternehmerseite oft gehörter Satz in Baustreitigkeiten. Es geht um die Frage, wer die Mehrkosten zu tragen hat, wenn sich Bauarbeiten wegen des angetroffenen Baugrundes als aufwendiger erweisen als angenommen. Das kann der Fall sein, wenn der Boden nicht tragfähig genug ist (z. B. in Seenähe), harter Fels anstelle von baggerfähigem Bodenmaterial zum Vorschein kommt, der Grundwasserspiegel höher liegt als prognostiziert oder wenn Altlasten, d. h. verschmutztes Bodenmaterial und Abfälle, angetroffen werden.

SIA-Norm nimmt Bauherrn in die Pflicht

Gleiche Fragen stellen sich, wenn bestehende Gebäude gekauft oder umgebaut werden. Da kann bei Umbauten schädliches Material wie Asbest zum Vorschein kommen, oder man erkennt plötzlich, dass die Tragfähigkeit eines Bodens bei weitem nicht so ist wie angenommen. Ein Beispiel: Ein Bauherr kauft ein Grundstück mit einem älteren Haus. Er beabsichtigt, mit einer Unterniveaugarage das alte Gebäude zu unterfangen und einen Neubau zu erstellen. Während der Bauausführung zeigt sich, dass der Baugrund viel problematischer ist als angenommen. Teure Massnahmen für die Baugrubensicherung und Unterfangung sind erforderlich.

Die Antwort auf die Frage der Kostentragung hängt von verschiedenen Umständen ab.

  • Einerseits kann das Baugrundrisiko vertraglich auf den Unternehmer überwälzt werden. In diesem Falle muss der Unternehmer den Baugrund selbst prüfen und die festgestellten oder vermuteten Risiken in seinen Preis einrechnen.
  • Anderseits werden in der Schweiz die Bau-Werkverträge meist mit der Norm SIA 118 als allgemeiner Vertragsbedingung abgeschlossen. Danach hat der Bauherr die örtlichen Gegebenheiten abzuklären.

Das sind insbesondere die Beschaffenheit des Baugrundes entsprechend den Anforderungen der auszuführenden Arbeit, benachbarte Bauwerke, Grundwasservorkommen, Leitungen usw.

Das Ergebnis dieser Abklärungen ist in den Ausschreibungsunterlagen vollumfänglich festzuhalten.

Planer haften gegenüber dem Bauherrn

Erweisen sich die Angaben zum Baugrund in der vom Architekten oder Ingenieur erstellten Ausschreibung im Zuge der Ausführung als mangelhaft, gilt das nach der Norm SIA 118 als Verschulden des Bauherrn. Der Unternehmer hat dann das Recht, eine zusätzliche Vergütung – analog einer Bestellungsänderung – zu verlangen. Ist der Bauherr selbst nicht fachkundig, haben die von ihm beigezogenen Planer, Architekt und Ingenieur, die erforderlichen Abklärungen vorzunehmen und notwendige weiter gehende Untersuchungen, z. B. geologische Gutachten, zu empfehlen. Die Planer haften dem Bauherrn ihrerseits für mangelhafte Abklärung des Baugrundes. Baut der nicht fachkundige Bauherr ohne einen beigezogenen Architekten oder Ingenieur, was oft bei kleineren Bauvorhaben der Fall ist, hat der Unternehmer den von ihm zu bearbeitenden Baugrund zu prüfen.

Ist die Norm SIA 118 schliesslich nicht vereinbart, gilt Artikel 373 Absatz 2 OR, wonach dem Unternehmer Mehraufwendungen nur dann und vom Richter nach seinem Ermessen zu vergüten sind, wenn die Erschwernisse nicht vorausgesehen werden konnten oder nach den von beiden Parteien angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen waren und sie die Fertigstellung hindern oder übermässig erschweren.

Will ein Bauherr keine bösen Überraschungen, empfiehlt es sich ohnehin, spätestens vor Inangriffnahme der Planung einen Geologen beizuziehen. Für die Richtigkeit der Angaben haften dem Bauherrn die beigezogenen Spezialisten.

Einen Spezialfall schliesslich bilden Aufwendungen im Zusammenhang mit Altlasten. Will der Bauherr finanzielle und terminliche Überraschungen vermeiden, empfehlen sich bei Verdacht sorgfältige Abklärungen. Diese sind jedoch kostenintensiv, so dass meist darauf verzichtet wird, wenn keine begründeten Befürchtungen vorliegen. Kommen beim Baugrubenaushub Verunreinigungen zum Vorschein, werden Untersuchungen unausweichlich. Diese sind primär vom Standortinhaber, d. h. vom Grundeigentümer, zu tragen.

Verursacherprinzip bei Sanierungen

Bedingen die Bodenbelastungen die Überwachung oder Sanierung des Standorts, werden Massnahmen behördlich angeordnet und die Kosten durch die zuständige Behörde auf die Verursacher verteilt. Ist die Bodenverschmutzung weniger gravierend, spricht man von einer sogenannten Bauherrenaltlast, deren Entsorgungskosten der Grundeigentümer allein zu tragen hat.

Es ist dem Käufer eines Grundstückes deshalb immer zu empfehlen, in den Kaufvertrag eine Bestimmung aufzunehmen, wonach der Verkäufer die Kosten von Entsorgungs-, Sanierungs- und Überwachungsmassnahmen trägt.

Quelle: Hans Rudolf Spiess, Neue Zürcher Zeitung