Einmal Lehmbau, immer Lehmbau?

Lehm ist einer der ältesten Baustoffe und hat dennoch, klug auf heutige Bedürfnisse angepasst, die Zukunft noch vor sich. Ein Überblick.

Auch das ist möglich: ein Fertigbau-Element aus Stampflehm auf der Alnatura-Baustelle (Bild: Alnatura.de).

Auch das ist möglich: ein Fertigbau-Element aus Stampflehm auf der Alnatura-Baustelle (Bild: Alnatura.de).

Was haben die Chinesische Mauer, die neue Zentrale des Lebensmittelhändlers Alnatura in Darmstadt und das Gewinnerprojekt des Architekturwettbewerbs fürs Basler Ozeanium gemeinsam? Alle diese Bauten, ob 1000 Jahre alt, soeben erst eröffnet oder Zukunftsmusik, setzen auf den Baustoff Lehm.

Siegeszug gebrannter Baustoffe

Spätestens mit dem Siegeszug der Kohle im 19. Jahrhundert setzten sich bei uns gebrannte Baustoffe durch. Backsteine, Mörtel, Beton und Stahlbeton verdrängten den auch bei uns rege genutzten Lehm (man denke nur an die historischen Flecht- und Fachwerk-Bauten, in denen Lehm verwendet wurden). Übrigens leben auch heute noch vor 40 % der Weltbevölkerung in Lehm-Gebäuden. Die Herabsetzung von Lehm als «minderwertiger» Baustoff hat also auch mit der Perspektive zu tun.

Hier ganz klassischer Lehmbau, anzutreffen in Mali (Bild: Wikicommons).

Fertigprodukt oder vor Ort abbauen?

Dabei bietet Lehm einige unter ökologischen Gesichtspunkten sehr spannende Eigenschaften. So kann er jederzeit in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werden. Ausserdem ist es je nach dem möglich, bei einem Hausbau den örtlich vorkommenden Lehm zu verbauen. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, gibt es Lehm als Fertigprodukt mit vielen Vorteilen (z. B. punkto Farbe und Qualität).

Uraltes Material, modernste Lösungen

Beim Alnatura-Bau wurde ein aus Schotter, Altglas, Kies, örtlichem Lehm und geschreddertem Abbruchmaterial bestehendes Baumaterial verwendet. Das Schreddermaterial kam von den Bauten, die zuvor am Bauplatz standen. Um die Wärmeleitfähigkeit des Lehms zu nutzen, wurden Heizspiralen in die Wände gebaut – was diese zu Heizungen macht. Auch beim geplanten Ozeanium in Basel sollen Wärme und Kälte aus den Lehmwänden gewonnen werden.

Auch Sanierungen möglich

Aber nicht nur Firmenzentralen oder Ozeanien lassen sich in massiver Stampflehmbau-Technik realisieren, sondern auch kleinere Projekte. So wurden im Zürcher Triemlispital in Zürich mehrere 1000 Quadratmeter Deckenfläche mit Lehm verputzt. Der Vorteil: die klimaregulierenden Eigenschaften von Lehm senken die Belüftungskosten. 3 cm Lehmverputz senken die Klimaanlagenkosten jährlich um bis zu 40 %. Bei Altbau-Sanierungen sind auch der Einbau von Lehm-Wänden und -Beplankungen möglich.

Tradition oder moderne Architektur

Einen Eindruck der Vielfalt von Lehmbauten zeigt a-architerre.com, ein auf Lehmbauten spezialisiertes Architekturbüro aus Mali. Vom traditionellen Lehmbau mit prächtigen, in den feuchten Lehm gezeichneten Schnörkeln bis zu modernen Luxus-Neubauten, denen man den Lehm «überhaupt nicht mehr ansieht» ist alles möglich.

Vorteile überwiegen

Auf Lehm-Oberflächen, die nicht vollkommen glattgestrichen sind, fallen kleinere Beschädigungen nicht auf. Lehmoberflächen sind zwar empfindlicher als etwa Beton, Schäden an Lehmfassaden lassen sich aber mit vertretbarem finanziellen Aufwand reparieren. Insgesamt überwiegen die Vorteile betreffend Ökobilanz und Kosteneinsparungen.

Noch nicht normiert

Zur Verwendung von Stampflehm oder ungebrannten Lehmsteinen gibt es keine SIA-Normen. Der Erfolg eines Bauprojekts hängt davon ab, Spezialisten zu finden, um geplante Lehmbauten an Vorgaben anpassen. Die in Deutschland gebräuchlichen Lehmbau-DIN-Normen können als Vorlage dienen. Ausserdem bietet der Verband IG Lehm www.iglehm.ch eine Übersicht über dieses ebenso geschichts- wie zukunftsträchtige Thema sowie ein Verzeichnis von Spezialisten.

Zu guter Letzt finden alle, die sich erstmals mit dem Thema beschäftigen, im «Du 887: Lehmbau heute» einen faszinierenden Einstieg ins Thema.