Bauabnahme: Die finale Nervenprobe

Mängel und Schäden am fertigen Eigenheim gehören mit dazu. Damit sie innert nützlicher Frist und kostenlos behoben werden, muss unbedingt eine Bauabnahme durchgeführt werden.

Rückt der Bezugstermin für das eigene Haus oder die neue Eigentumswohnung näher, steigt auch die Vorfreude. Doch bis man den Schlüssel endlich übernehmen und einziehen kann, ist noch eine wichtige Hürde zu nehmen: Die Bauabnahme.

 

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So wie bei der Übergabe einer Mietwohnung, müssen auch bei der Übernahme eines neuen Eigenheims Mängel und Schäden protokolliert werden. In der Regel erfolgt die Abnahme zusammen mit dem Verkäufer, dem Architekten oder Bauleiter – je nach dem ob man das Haus von einem Generalunternehmer (GU) kauft oder direkt mit einem Architekten baut. Im Gegensatz zur Mietwohnung dauert die Abnahme beim eigenen Haus oder der eigenen Wohnung aber einiges länger, üblicherweise sollten Sie bei einem durchschnittlichen Objekt mit mehreren Stunden rechnen (2-5 h je nach Grösse und Komplexität des Objekts). Deshalb ist es schon bei der Vereinbarung des Abnahmetermins wichtig, dass Sie auf einem ausreichend langen Zeitraum bestehen.

Bauabnahme tagsüber

Optimalerweise wählt man zudem einen Termin tagsüber, denn bei künstlichem Licht sind Mängel oft schlechter zu erkennen. Wer Stockwerkeigentum kauft sollte sich zudem einer wichtigen Tatsache bewusst sein: Die eigene Wohnung macht nur rund einen Drittel des Kaufvolumens aus. Die anderen zwei Drittel sind sogenanntes Miteigentum – also beispielsweise die Tragkonstruktion, die Fassade, das Dach, das Treppenhaus, der Lift oder die haustechnischen Anlagen. Diese allgemeinen Teile gehen bei der Abnahme oft vergessen. Erkundigen Sie sich deshalb, wer diese Teile abnimmt und organisieren Sie notfalls zusammen mit anderen Käufern sowie einer Fachperson – beispielsweise einem Bauherrenberater – eine Abnahme des gemeinsamen Eigentums.

Vor der Abnahme mit dem Verkäufer der Liegenschaft oder dem Architekten lohnt es sich, selber einen ausführlichen Rundgang zu machen. Dabei notieren Sie die zu beanstandenden Punkte und markieren diese wenn nötig mit Post-It-Zetteln. So stellen Sie sicher, dass bei der Bauabnahme nichts vergessen geht. Eine solche Vorabnahme kann auch gemeinsam mit dem Bauleiter oder Architekten erfolgen – optimalerweise 2-3 Wochen vor dem eigentlichen Abnahmetermin.

Bauabnahme: Die finale Nervenprobe

Mängelbehebung innert «angemessener Frist»

Bei der Abnahme geht es vor allem um Schäden oder Mängel an den sichtbaren Oberflächen, wie Wänden, Decken oder Böden sowie um nicht fertig gestellte Arbeiten. Das Augenmerk gilt auch Abweichungen von der ursprünglichen Bestellung, etwa einem falschen Farbton. All diese Punkte gelten ohne Abnahme als stillschweigend wie besehen akzeptiert. Wichtig zu wissen: Entdecken Sie nach der Abnahme weitere Mängel, müssen diese innerhalb der zweijährigen Garantiefrist gemeldet werden. Dabei können auch mehrere Punkte gesammelt werden, falls keine sofortige Behebung nötig ist. Bis zu fünf Jahren nach Abnahme besteht eine Rügemöglichkeit für verdeckte Mängel – etwa wenn eine zuvor nie benutzte Steckdose keinen Strom hat. Solche Punkte müssen aber innert sieben Tagen nach Entdeckung beim Verkäufer oder Ersteller des Objekts gemeldet werden.

Baumängel müssen für alle verständlich formuliert sein

Wichtigstes Element der Abnahme sind das Protokoll und die Mängelliste. In der Regel werden diese durch den Planer oder Verkäufer (GU) des Hauses erstellt. Dabei sollten Sie darauf achten, dass jeder Mangel für alle verständlich und klar zuordenbar notiert wird. Nur so können Beanstandungen später notfalls auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden. Hilfreich sind auch Fotos, auf denen man die Mängel gut erkennen kann. Beim Abnahme-Rundgang dürfen Nebenräume, die Fassaden, das Dach und separate Gebäude, wie etwa eine Garage, nicht vergessen gehen.

Ganz wichtig: Lassen Sie sich direkt nach dem Rundgang eine Kopie des Originalprotokolls geben oder fotografieren Sie die Seiten ab. Der Ersteller des Protokolls überarbeitet dieses anschliessend, fügt wo nötig Fotos oder Skizzen ein und hält zu jedem Mangel einen Termin für die Behebung fest. Ist alles richtig erfasst, muss das Protokoll von allen Parteien unterschrieben werden. Sind Sie mit einem Punkt nicht einverstanden, müssen Sie dies vermerken lassen und – falls nötig – die Prüfung durch einen neutralen Experten verlangen.

Für die Behebung der Mängel steht dem Erbauer des Hauses oder dem jeweiligen Handwerker gemäss den geltenden Normen «eine angemessene Frist» zu. In der Regel sollten die meisten Mängel innert weniger Wochen behoben sein. Am besten vereinbaren Sie aber gleich bei der Abnahme einen Termin für die Mängelbeseitigung. Bei grösseren Siedlungen werden oft spezielle Mängelbehebungstage angesetzt, an denen die Handwerker von Haus zu Haus gehen und die Listen abarbeiten.

Professionelle Begleitung lohnt sich

Für Laien ist die Bauabnahme oft Neuland. Das macht es schwierig zu beurteilen ob es sich bei strittigen Punkten wirklich um Mängel oder nur um eine Ungenauigkeit handelt, die akzeptiert werden muss. Deshalb lohnt es sich, wenn Sie für die Übergabe des Hauses eine Fachperson, beispielsweise einen Bauherrenberater, beiziehen. Dieser kennt die massgebenden Baunormen, weiss welche Toleranzen zulässig sind und welche Ansprüche der Bauherrschaft zu stehen. Zudem stellt er sicher, dass die Abnahme korrekt abläuft und ein aussagekräftiges Protokoll mit allen nötigen Terminen für die Behebung der Mängel erstellt wird. Die Kosten für eine solche Begleitung betragen zwischen 180 und 200 Franken pro Stunde.

Rechte und Pflichten

Werden Mängel entdeckt, so haben Sie als Bauherr gemäss Obligationenrecht (OR 368) grundsätzlich das Recht auf eine unentgeltliche Nachbesserung. Steht der Aufwand dafür aber im Missverhältnis zum Nutzen, so kann der Handwerker die Behebung des Mangels verweigern – beispielsweise wenn wegen eines Kratzers der gesamte Bodenbelag eines Zimmers getauscht werden müsste. Dann besteht die Möglichkeit einen Minderwert, also einen Preisnachlass, für den Mangel zu vereinbaren.

Behebt der Generalunternehmer des Hauses oder der zuständige Handwerker die vorhandenen Mängel trotz mehrmaliger schriftlicher Aufforderung nicht, so müssen Sie ihm eine letzte Frist setzen – am besten per eingeschriebenem Brief. Reagiert der Handwerker innert dieser Frist nicht, dürfen Sie den Mangel von einem anderen Unternehmen beheben lassen und die Kosten dafür dem fehlbaren Hand-werker in Rechnung stellen. Das tönt in der Theorie einfach, in der Realität wird es aber schwierig sein, an das Geld heran zu kommen. Deshalb ist es gut, beim Bau eines Hauses zehn Prozent der Bausumme zurückzubehalten, bis die Mängel behoben sind – das ist gemäss Bundesgericht der gänginge SIA-Normen (SIA 118) und der Gerichtspraxis zulässig – aber nur wenn es bereits so in den Bauverträgen vereinbart wur-de.

Die beste Basis für eine erfolgreiche Bauabnahme und Mängelbehebung legt man aber schon lange vor Baubeginn: Nur wenn in den Verträgen die gewünschte Qualität und Aus-führung klar festgehalten ist, hat man später eine brauchbare Grundlage, um Mängel rügen zu können. Auch hier ist der Beizug eines Bauherrenberaters zu empfehlen, um alle Pläne und Verträge vor der Unterzeichnung zu prüfen.

Eine ausführliche Checkliste zur Bauabnahme und die Adressen von Bauherrenberatern in Ihrer Nähe finden Sie auf der Internetseite der Kammer unabhängiger Bauherrenberater (KUB): www.kub.ch

Blog überarbeitet am 29.1.2019