Ein Rissprotokoll sichert Beweise
Um das vorhandene Bauland optimal auszunützen, wird immer dichter aneinander gebaut. Bautechnische Entwicklungen der letzten Jahre haben dafür weitere Möglichkeiten geschaffen. Durch einen Baugrubenaushub oder eine Baugrubensicherung unmittelbar an der Grundstücksgrenze oder durch Pfählarbeiten können Absenkungen oder Risse an Nachbargebäuden entstehen. Damit Schäden an Nachbargebäuden nachgewiesen werden können, sollte vor Baubeginn eine Bestandesaufnahme in Form eines Rissprotokolls erstellt werden.
Im Interesse der beteiligten Parteien
Es muss im Interesse sämtlicher betroffenen Parteien liegen, den aktuellen Zustand der Gebäude vor Baubeginn zu dokumentieren. Denn Schäden an den Nachbargebäuden müssen von der Bauherr-schaft zu ihren Kosten behoben werden. Im Zweifelsfall müssen die betroffenen Nachbarn aber den entstandenen Schaden beweisen können. Auch gilt es beim Abschluss von Bauversicherungen die-sem Punkt besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.
Bei einzelnen Versicherungen sind nur die Schäden an Gebäuden gedeckt, deren Zustand vor Beginn der Arbeiten mit einem Rissprotokoll erfasst wurde.
Grundlagen für Notwendigkeit
Das Zivilgesetzbuch regelt im Art. 679 die Verantwortlichkeit des Grundeigentümers. «Wird jemand dadurch, dass ein Grundeigentümer sein Eigentumsrecht überschreitet, geschädigt oder mit Schaden bedroht, so kann er auf Beseitigung der Schädigung oder auf Schutz gegen drohenden Schaden und auf Schadenersatz klagen.»
Die in den Bauverträgen allgemein verwendete SIA-Norm 118, Allgemeine Bedingungen für Bauarbei-ten, nimmt in Artikel 111 dazu Stellung. «Soweit es angezeigt ist, hält der Bauherr auf seine Kosten den Bestand und Zustand fremder Sachen (wie z. B. Grundstücke, Bauten, Verkehrswege, Leitungen, Grundwasservorkommen, Quellen), die im möglichen Einflussbereich der Arbeiten liegen, noch vor deren Beginn zur Beweissicherung fest. Er beschafft sich die erforderlichen Beweismittel.»
Rissprotokoll wie vorgehen?
Das Protokoll ist vom Bauherrn oder von seinem Vertreter auf der Baustelle, dem Bauleiter, zusammen mit den Nachbarn zu erstellen. Oder die Parteien bestimmen gemeinsam einen externen Fachmann für die Bestandesaufnahme. Im Rahmen einer Begehung werden die visuell feststellbaren Schäden, Anzeichen von Senkungen, Feuchtigkeitsschäden und im Speziellen Risse festgehalten. In einer Planskizze wird die Lage der erstellen Fotoaufnahmen eingezeichnet und mit einem möglichst genauen Beschrieb der Feststellung ergänzt.
Sind beide Parteien mit dem Rissprotokoll einverstanden, wird dieses gegenseitig schriftlich anerkannt.
Der Bauherr macht keine Aufnahme – was unternehmen?
Will der Bauherr kein Protokoll aufnehmen, kann sich der Hausbesitzer der Nachbarliegenschaft an eine Amtsperson, zum Beispiel einen Vertreter der Gemeinde, wenden. Ein amtliches Rissprotokoll erlangt auch ohne Unterschrift des Bauherrn seine Beweispflicht. Die Kosten von einigen hundert Franken können sich im Schadenfall durchaus bezahlt machen.
Entstehen Schäden an einem Nachbarhaus während der Bautätigkeit, kann der Hausbesitzer eine vorsorgliche Beweissicherung erstellen lassen. Dieses ordnet das Gericht auf Begehren des Hausei-gentümers an, wenn noch kein Prozess hängig ist. Nicht immer ist es jedoch möglich, die Schadensursache eindeutig zu bestimmen.
Wie werden Risse und Schäden beurteilt?
Bestimmt werden Risse gemäss der Schweizer Norm SN 640 312a, Erschütterungen, unter Kapitel D «Risse und Rissprotokolle».
Risse werden nur aufgenommen, wenn sie aus einem Meter Distanz von blossem Auge erkennbar sind, was einer Rissbreite von zirka 0,05 mm entspricht. Dabei werden Risse an der Oberfläche und durchgehende Risse unterschieden und bezüglich ihrer Breite in
fünf Klassen eingeteilt (feine Risse ≤ 0,2 mm bis klaffende Risse ≥ 3 mm).
Erschütterungsmessungen während der Bauarbeiten
Im Unterschied zum Rissprotokoll werden die Erschütterungsmessungen parallel zu den Bauarbeiten ausgeführt. So soll der Nachweis erbracht werden, dass keine übermässigen Emissionen oder Immis-sionen auf die Nachbargebäude eingewirkt haben. Mittels neuer Technik können die Messdaten über ein Mobiltelefon regelmässig übertragen werden. Eine automatische akustische oder optische Alarmierung kann auf die Überschreitung der Grenzwerte aufmerksam machen.
Schlusskontrolle nach Abschluss der Arbeiten
Sind Schäden aufgetreten, wird eine Schlusskontrolle gemacht. Dabei wird der Vergleich zwischen dem Rissprotokoll und zusätzlichen Schäden gemacht, dokumentiert und gegenseitig anerkannt. Wurden keine Schäden gemeldet, wird in der Praxis meistens auf eine Schlusskontrolle verzichtet. Es empfiehlt sich, auch dies nachvollziehbar an alle beteiligten Parteien zu kommunizieren.
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