Die Norm 118, herausgegeben vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverband SIA, ist im Bauwesen nicht mehr wegzudenken. Zwar ist sie kein Gesetz, doch kommt das Regelwerk mit 200 Artikeln in vielen Verträgen zum Zuge. Meist heisst es, die SIA-Norm 118 gelte für alle Fragen, welche Bauherr und Bauunternehmer nicht explizit vertraglich geregelt haben.
Was viele Bauherren nicht wissen: Die SIA-Norm 118 hat unlängst ein «Lifting» erfahren. Über dreissig Jahre nach der letzten Revision sei «eine Aktualisierung erforderlich» gewesen, heisst es in der dazugehörigen Medienmitteilung. Dabei sorgt besonders eine neue Passage für Stirnrunzeln: die Regelung der Mehrwertsteuer.
Mehrwertsteuer ist zusätzlich zu entgelten
Hier gilt seit März dieses Jahres: «Wenn nicht anderes vereinbart ist, gilt bei einer Preisangabe die MWST als nicht eingerechnet.» Lässt also ein Bauherr eine Immobilie für eine Million Franken erbauen, droht ihm eine Zusatzzahlung von 80 000 Franken für die Mehrwertsteuer. Es sei denn, im Vertrag wird explizit erklärt, die Mehrwertsteuer sei in der Bausumme inbegriffen.
Experten kritisieren den neuen Absatz in der SIA-Norm 118. «Diese Bestimmung ist unfair», sagt der emeritierte Freiburger Rechtsprofessor Peter Gauch gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Seiner Meinung nach müssen Bauherren «ohne anderweitige Abmachung» nicht damit rechnen, «dass über den vertraglich vereinbarten Preis hinaus noch Kosten für die Mehrwertsteuer anfallen.» Ins gleiche Horn bläst Rechtsanwalt Arnold Rusch, Lehrbeauftragter für Privatrecht an der Uni Zürich. «In der Schweiz sind alle Preise Endpreise, in denen Gebühren und Abgaben bereits enthalten sind.» Die gegenteilige Regelung in der neuen SIA-Norm 118 sei «höchst ungewöhnlich» und dürfe seiner Meinung nach nicht für Bauherren angewendet werden. Der SIA hält dagegen: Die neue Bestimmung sei eigentlich «eine Usanz im Baugewerbe», die jedoch bislang «nicht klar definiert» gewesen sei.