Wer ein Haus baut, muss keine Mängel dulden. Mit einer Mängelrüge kann der Bauherr die Behebung des Fehlers, eine preisliche Minderung oder – im schlimmsten Fall – die Rücknahme des Objekts verlangen. Eine Mängelrüge ist nicht nur gegenüber den ausführenden Unternehmen möglich, sondern auch gegen Architekten und Ingenieure. Liegt ein Planungsfehler vor, muss dieser also nicht akzeptiert werden.
Doch Achtung: Wie jeder andere Mangel auch muss dieser sofort nach der Entdeckung gerügt werden. Geschieht dies zu spät, kommt der Planer möglicherweise mit einem blauen Auge davon. Ein Beispiel dafür ist die «Sennhof-Affäre» in Winterthur, die bis vors Bundesgericht gelangte:
Fallbeispiel: Sennhof-Affäre
- Die Stadt Winterthur baut zwischen 2006 und 2007 in der Aussenwacht Sennhof ein neues Schulhaus.
- Sie beauftragt Ingenieur A mit der ingenieurtechnischen Bearbeitung der Tragkonstruktion sowie der Ausführungsplanung und der Überwachung der Baurealisierung.
- Ein anderes Unternehmen wird als Baumeister eingesetzt.
- Kurz nach Beginn der Bauarbeiten entdeckt der Baumeister, dass die Stahlbetonarbeiten falsch ausgeschrieben wurden. Er stellt die Fachkompetenz von Ingenieur A in Frage.
- Der Baumeister zieht zur Überprüfung der Statik einen zweiten, eigenen Ingenieur (B) bei. Dieser stellt verschiedene Mängel fest, welche der Baumeister mit einer Abmahnung geltend macht.
- Um die Sachlage zu überprüfen, verpflichtet die Stadt Winterthur mit Ingenieur C einen weiteren Fachmann. Dieser bestätigt die vorhandenen baustatischen Mängel.
- Die Stadt lässt daraufhin die Bauarbeiten komplett einstellen.
- Mit D kommt ein weiterer Ingenieur ins Spiel, der die gesamte Statik noch einmal auf Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit überprüft. Sein ernüchternder Bericht liegt zweieinhalb Monate nach der ersten Feststellung der baustatischen Mängel vor.
Zusammenarbeit gekündigt, Klage eingereicht – aber zu spät!
Die Stadt Winterthur kündigt daraufhin die Zusammenarbeit mit Ingenieur A fristlos. Zudem reicht sie Klage ein. Ingenieur A verklagt hingegen seinerseits die Stadt Winterthur betreffend Honorar sowie Anwalts- und Expertisekosten. Das Handelsgericht weist jedoch die Klagen beider Partien ab. Die Begründung: Die Rüge der Planungsfehler sei nicht rechtzeitig erfolgt, weshalb die Mängel als stillschweigend genehmigt gelten. Was nicht bedeutet, dass die Fehler nicht begangen wurden.
Die Stadt Winterthur wendet sich daraufhin ans Bundesgericht, welches die Klage aber ebenfalls ablehnt. Denn: Nach gängiger Praxis müssen Mängel innert drei bis sieben Tagen nach Entdeckung gerügt werden. Die Verantwortlichen der Stadt Winterthur haben diese Frist nicht eingehalten. Deshalb bleibt ihnen ein Verlust von rund 3 Millionen Franken.