Haftet der Architekt bei einer Kostenüberschreitung?
Beim Hausbau nehmen Menschen so viel Geld in die Hand, wie meist für kein anderes Projekt in ihrem Leben. Umso schlimmer, wenn die Kosten ausufern und weit über dem Kostenvoranschlag des Architekten liegen. Doch halt: Hat der Architekt mit seiner Offerte nicht eine verbindliche Angabe gemacht? Das Bundesgericht hatte sich in den letzten Jahren mit einigen solchen Fällen auseinanderzusetzen.
So wurde beispielsweise in Domat/Ems ein Gewerbehaus gebaut, welches in der Endabrechnung statt der offerierten 1,70 Mio. Franken ganze 2,02 Mio. Franken kostete – also rund 20 Prozent mehr als vereinbart. Die Kostenüberschreitung kam durch ungenügende Berechnungen des Architekten zustande. Dieser hatte es unterlassen, vor Baubeginn die Kosten detailliert aufzulisten und gab dem Bauherrn lediglich eine Schätzung an.
Damit machte sich der Architekt laut Bundesgericht haftbar. Denn: Der Architekt handle als Fachmann für Baukostenprognosen, so die Richter. Und weiter: Er habe seine Kostenprognosen «unter Beachtung der allgemein anerkannten Regeln seines Fachgebiets» zu erstellen. Dies beinhalte die Pflicht, die Berechnungen so genau und detailliert wie möglich und nötig auszuarbeiten. Ausserdem müsse der Architekt die voraussichtlichen Kosten mit fortschreitender Planung immer detaillierter und genauer ermitteln.
Toleranzgrenze vereinbaren
Natürlich können Baukosten nicht auf den Franken genau abgeschätzt werden. Deshalb sollten Architekten ihre Offerten mit einem gewissen Spielraum erstellen. In der Schweiz ist eine Toleranzgrenze von +/- 10 Prozent gängig. Der Genauigkeitsgrad muss aber zwischen den beiden Vertragspartien explizit vereinbart werden. Dabei liegt es am Architekten, den Bauherrn aufzuklären.
Dies wurde im Fall des Gewerbehauses in Domat/Ems unterlassen. Ausserdem liess sich aus den Umständen schliessen, dass der Bauherr mit einer exakten Einhaltung der Kosten rechnen durfte. Deshalb konnte sich der Architekt im Nachhinein nicht auf die 10-Prozent-Regel beziehen, um die entstandenen Mehrkosten nur teilweise tragen zu müssen.
Anders ist die Ausgangslage, wenn ein Architekt nachweisen kann, dass der Bauherr über die gängige 10-Prozent-Regel Bescheid weiss. Dann könnte sich der Architekt auf die Toleranzgrenze berufen, auch wenn sie nicht explizit im Vertrag niedergeschrieben ist.
Fakten zum Thema Kostenüberschreitung
- Es gehört zum Aufgabenheft eines Architekten, für einen Kostenvoranschlag sorgfältige Berechnungen vorzunehmen. Im Nachhinein darauf pochen, dass es sich nur um eine Schätzung handle, funktioniert nicht.
- Der Architekt sollte mit dem Bauherrn explizit eine Toleranzgrenze vereinbaren. Diese liegt in der Schweiz standardmässig bei +/- 10 Prozent. Es liegt am Architekten, den Bauherrn über den Genauigkeitsgrad der Offerte zu informieren.
- Der Architekt kann sich nicht auf die Toleranzgrenze berufen, wenn die Kostenüberschreitung durch einen Fehler seinerseits entstanden ist (z.B. Rechnungsfehler oder Vergessen von notwendigen Arbeiten).
- Agiert der Architekt als Gesamtleiter der Baustelle, hat er sämtliche Kosten zu überwachen und zu prüfen. Der Bauherr ist zu informieren, sollte man finanziell vom Kurs abweichen.
- Für Mehrkosten, die durch Sonder- oder Änderungswünsche des Bauherrn zustande kommen, kann der Architekt nicht haftbar gemacht werden.