Die Risiken von Generalunternehmer-Werkverträgen
Im Schweizer Wohnungsbau werden Häuser immer häufiger in Zusammenarbeit mit einem Generalunternehmer (GU) erstellt. Um das Konfliktpotenzial gering zu halten, sollte die Bauherrschaft den Inhalt des Generalunternehmer- Werkvertrags vor dessen Abschluss jeweils genau auf allfällige Schwachstellen prüfen.
Bauen ist komplex und zeitaufwendig.
Selbst zur Fertigstellung eines einfachen Einfamilienhauses braucht es im Durchschnitt nicht weniger als 20 verschiedene Handwerker, deren Arbeit koordiniert werden will.
Ausserdem sind vielfältige Kenntnisse über die aktuelle Bautechnik, das Einholen von Baubewilligungen und über die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und Normen nötig. Ist ein Bauherr nicht von vorneherein mit einer handwerklichen Ader und zusätzlich mit einem grossen Mass an Geduld und freier Zeit gesegnet, so kann der schöne Traum vom Bau der eigenen vier Wände sehr schnell zum Albtraum werden. Wer keine Zeit oder Lust hat, sich mit Planung und Ausführung herumzuschlagen, kann indessen auch einen Generalunternehmer (GU) ein schlüsselfertiges Haus bauen lassen:
Als alleiniger Vertragspartner des Bauherrn übernimmt ein Generalunternehmer die Gesamtverantwortung für die Ausführung eines Bauwerks und garantiert dessen Qualität, den Fertigstellungstermin und den Preis.
Generalunternehmer im Trend
Bauen mit einem GU liegt im Trend. Generalunternehmer haben mittlerweile in der Schweiz laut Schätzung des Verbands Schweizerischer Generalunternehmer (VSGU) einen Marktanteil beim Hochbau von 25 % bis 30 % (Zahlen von 2004), die Tendenz ist steigend. Die Vorteile für die Bauherrschaft liegen hauptsächlich in den Garantien, die ein GU übernimmt. Durch den Fixpreis ist die Finanzierung des Projekts besser planbar; zudem ermöglicht der weit im Voraus festgesetzte Fertigstellungstermin einen reibungslosen Umzug. Schliesslich haftet ein GU aber auch für eine einwandfreie Qualität. Vor allem Letzteres erhöht für den Bauherrn die Durchsetzbarkeit seiner Garantierechte:
Wenn der GU der alleinige Ansprechpartner ist, spielt beispielsweise die Frage, welcher Handwerker für einen konkreten Mangel verantwortlich ist, für den Bauherrn keine Rolle.
Dennoch birgt diese Art des Bauens mitunter erhebliche Risiken, deren sich viele angehende Hauseigentümer nicht bewusst sind. Die Crux des Problems liegt darin, dass ein Bauherr in einem Generalunternehmer-Verhältnis rechtlich gesehen gar nicht mehr Bauherr ist, sondern nur noch Käufer. Er hat zu den einzelnen Handwerkern («Subunternehmern») keine Vertragsbeziehung, besitzt also auch kein entsprechendes Weisungsrecht. De facto heisst das, dass er – sollte er auf der Baustelle schlampige Arbeit feststellen – nicht selber ins Geschehen eingreifen darf, sondern immer auf das konstruktive Wohlwollen des GU angewiesen ist.
GU-Werkvertrag als Kern
Rechte und Pflichten eines Generalunternehmers
Hinzu kommt, dass «Generalunternehmer» in der Schweiz keine geschützte Berufsbezeichnung ist. Rechte und Pflichten eines GU sind also nirgends verbindlich definiert. Die Folgekosten aus einem Vertrag mit einem in seinem Metier unerfahrenen oder gar unseriösen GU können somit beträchtlich sein. Sie reichen von der Gefahr eines Bankrotts während der Bauphase bis zu einer ellenlangen Mängelliste, für die keine Garantiedeckung übernommen wird. Bevor ein GU deshalb als Vertragspartner überhaupt in Betracht gezogen wird, sollte der Bauherr zweierlei abklären: Einerseits gilt es, Referenzen einzuholen und dabei auch persönlich mit ehemaligen Kunden zu sprechen. Anderseits sollte die Bonität des Unternehmers durch eine Bank überprüft werden, was bei hypothekenfinanzierten Bauten allerdings der Normalfall sein sollte.
Das Herzstück in der Vertragsbeziehung mit einem GU ist der sogenannte Generalunternehmer-Werkvertrag, der die Erstellung des Bauwerks mit Termin- und Kostengarantie regelt. Ist auch das Bauland mit eingeschlossen, ist die Rede von einer Kombination aus Kauf- und Werkvertrag. Seine Hauptaufgabe sollte der zukünftige Eigenheimbesitzer grundsätzlich darin sehen, den GU-Werkvertrag – bevor er durch die Unterschriftsleistung beim Notar juristische Gültigkeit erhält – auf Herz und Nieren zu prüfen.
GU-Werkvertrag sollte den Leistungsauftrag umfassend regeln
Der GU-Werkvertrag sollte den Leistungsauftrag an den Generalunternehmer und die Pflichten des Bauherrn möglichst umfassend regeln. Er muss neben den verbindlichen Angaben zu Preis, Bezugstermin und Zahlungsabwicklung auch einen ausführlichen Baubeschrieb sowie sämtliche Pläne enthalten. Selbst Details wie die Höhe der Konventionalstrafen bei einer Bauverzögerung oder die Modalitäten der Abrechnung von Mehrkosten aufgrund von Projektänderungen durch die Bauherrschaft dürfen nicht unerwähnt bleiben. Prinzipiell gilt, dass je weniger Fragen ein Vertrag offen lässt, desto geringer das Potenzial für spätere Streitigkeiten zwischen den am Bau beteiligten Parteien ist.
Ans Handwerker-Pfandrecht denken
Ein besonderes Problem, dem es Aufmerksamkeit zu schenken gilt, ist das sogenannte Handwerker-Pfandrecht.
Dieses erlaubt es einem Handwerker, drei Monate nach der Vollendung seiner Arbeiten ein Pfandrecht auf die Liegenschaft zu legen, wenn er nicht oder nur unvollständig durch den GU bezahlt wurde. Das Risiko, durch ein Handwerker-Pfandrecht belegt und belastet zu werden und so für offene Zahlungsverpflichtungen des GU haften zu müssen, kann durch eine sorgfältige Vertragsplanung, welche die Zahlungsmodalitäten durch gestufte Zahlungen und durch Bankgarantien festlegt, zumindest minimiert werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Gewährleistungshaftung. Grundsätzlich sollten Garantien für Handwerkerleistungen nicht an die Käufer abgetreten werden, auch wenn dies in der Branche oft der Fall ist. Ist ein GU-Werkvertrag auf der SIA-Norm 118 abgestützt, übernimmt der Generalunternehmer stellvertretend für seine Subunternehmer auch nach der Fertigstellung des Bauwerks noch die Garantiehaftung, was die Sicherheit für die Bauherren erhöht.
Nach der SIA-Norm 118 können sogenannte sichtbare Mängel innerhalb von zwei Jahren nach Fertigstellung jederzeit, verdeckte Mängel bis fünf Jahre, und verheimlichte Mängel in einem Zeitraum von zehn Jahren gerügt werden.
Zudem hat bei dieser Vertragsklausel die Behebung der Mängel durch den GU Vorrang vor finanziellen Entschädigungen, was in der Regel für den Bauherrn vorteilhaft ist.
Kühlen Kopf bewahren
Schon allein die Suche nach geeignetem Bauland oder einem attraktiven, bezahlbaren Objekt ist oft sehr langwierig. Dies ist in der Schweiz vor allem bei Wohnlagen in der Nähe der Ballungszentren der Fall. In den Zeiten des verdichteten Bauens, bei denen Häuser und Wohnungen «ab der Stange» angeboten werden, ist der Interessent oder Käufer – vor allem, wenn es noch andere Interessenten gibt – im Vergleich mit dem Bauunternehmer häufig in einer eher schwachen Position. Auch löst die Hoffnung auf ein Eigenheim bei vielen Menschen eine euphorische Stimmung aus. Nicht selten wird dann im Schnellverfahren lediglich die Finanzierung durch die Bank abgeklärt, der «Reservationsvertrag» wird dann unterzeichnet, und man leistet bereits die erste Anzahlung.
Dies ist jedoch eine Strategie, mit der man Bauproblemen Tür und Tor öffnet.
Der nachhaltigere Weg wird eingeschlagen, wenn ein Bauherr trotz dem allfälligen Zeitdruck eine genaue Prüfung der Verträge vornimmt und unter Umständen sogar eine Analyse durch einen unabhängigen Bauberater veranlasst, was in der langen Sicht häufig Kosten spart.
Die Prüfung eines GU- Werkvertrags für ein durchschnittliches Einfamilienhaus kostet laut Angaben von Othmar Helbling von der hbq-bauberatung je nach Vertragsumfang zwischen 1000 Fr. und 1500 Fr.
In den meisten Fällen bedeutet ein Hausbau ein jahrzehntelanges finanzielles Engagement
Für viele Menschen ist es sogar die grösste Investition während ihres ganzen Lebens. Beauftragt man dabei einen Generalunternehmer mit der Durchführung des Projekts zu einem Fixpreis, so kann man sich dadurch auch vieler lästiger und schwieriger Pflichten entbinden. Um aber sicher zu gehen, dass mit dem Traumhaus nicht die Katze im Sack gekauft wird, sollte eine Bauherrschaft unbedingt überprüfen, ob sie es auch mit einem «richtigen» Generalunternehmer zu tun hat. Überwiegen letztlich die Zweifel, so ist es wohl besser, das Traumhaus jemand anderem zu überlassen.
Quelle NZZ