Hausgemachte Kostenexplosion

Wer bei Bau oder Renovierung seines Eigenheims ganz auf den Architekten oder den Generalunternehmer setzt, kann bei der Schlussabrechnung sein blaues Wunder erleben.

Hausgemachte Kostenexplosion
Daniel Ruf aus Küttigen AG entschloss sich zum Kauf eines Eigenheims; Kostenpunkt: 680’000 Franken. «Preis und Termin garantiert», warb der Generalunternehmer für das hübsche Reihenhaus. Um den Preis streiten Käufer und Unternehmer bis heute.

Ruf, der selbst als Elektroinstallateur im Baugewerbe tätig ist, führte etliche Arbeiten selbst durch: Elektroinstallationen, Fliesen, sanitäre Anlagen und der aufwändige Einbau einer Wärmepumpe. Doch trotz seinen Eigenleistungen stellte ihm die Baufirma einen Schlusspreis in Rechnung, der kaum unter der ursprünglichen Offerte lag. «Der Unternehmer», ärgert sich Ruf, «hat mit der Verrechnung von Mehr- und Minderpreisen ein grosses Durcheinander gemacht.» Zum Verhängnis wurde Ruf vor allem, dass er mündlichen Zusagen Glauben schenkte. Diverse Arbeiten seien versprochen, dann aber «aus Kostengründen» nicht ausgeführt worden.

Wie problematisch die Zusammenarbeit zwischen Generalunternehmer und Bauherr sein kann, war Ruf schon vor dem Kauf bewusst gewesen. «Was aber dann geboten wurde», so lautet sein Fazit, «schlägt dem Fass den Boden aus.»

«Kaum Überraschungen nach unten»
Für Luzius Theiler vom Hausverein Schweiz sind Ärger und Mehrkosten mit unseriösen und unechten Generalunternehmern an der Tagesordnung: «Verzögerungen, Baumängel und Mehrkosten gehen oft Hand in Hand.» Symptomatisch ist für ihn allein schon die Tatsache, dass Schlussabrechnungen vielfach nach oben abweichen, während es kaum je zu «Überraschungen nach unten» kommt. Die schwarzen Schafe der Branche gehen dabei mit allerlei Tricks auf Kundenfang:

Trick Nummer eins: Nur der im Prospekt genannte Basispreis des Hauses ist günstig. Dafür werden die Käufer für alle Änderungen und Extrawünsche umso kräftiger zur Kasse gebeten. Wer sich für eine teurere Küche entscheidet, kommt meist nicht nur für Mehrpreise auf, sondern zahlt dem Unternehmer dafür zusätzliche Honorare.

Trick Nummer zwei: Der Unternehmer budgetiert für Bauteile und Arbeitsgattungen nur das absolute Minimum. Das böse Erwachen folgt dann etwa in der Küchenausstellung, wenn der Kunde feststellen muss, dass er mit einem Budget von 10’000 Franken nicht sehr weit kommt. Für eine gängige Küche sollten stattdessen 16’000 bis 20’000 Franken budgetiert sein.
Um möglichst günstig zu erscheinen, sehen manche Unternehmer beispielsweise auch gerade mal 30’000 Franken für die Umgebungsarbeiten vor. Wenn auf dem Grundstück aber etwa Leitungen verlegt werden müssen, reicht das am Ende kaum noch, um auch nur ein kleines Stück Rasen anzupflanzen, geschweige denn einen Gartensitzplatz anzulegen.

Trick Nummer drei: Nicht alles ist in den Preisen von Generalunternehmern oder Fertighausanbietern inbegriffen. Oft kommen Vorbereitungsarbeiten, Erschliessung des Grundstücks, Nebenkosten für Baubewilligung und -abnahme sowie Mehrwertsteuern hinzu. Allein die Ausgaben für die Vorbereitung eines Grundstücks können auf 100’000 bis 200’000 Franken anwachsen, zum Beispiel bei einem hohen Grundwasserspiegel oder in Hanglage.

Trick Nummer vier: Besonders trügerisch sind so genannte Ausbauhäuser, die zum Teil schon ab 100’000 oder 200’000 Franken offeriert werden. De facto handelt es sich dabei bestenfalls um halbe Häuser, die unbewohnbar sind. Denn sie verfügen weder über Elektro- noch über Sanitärinstallationen. Architekt Hans J. Keller appelliert an die Verantwortung der Bauherrschaft: «Viele Hauskäufer lassen sich in der Bad- und Küchenausstellung von den Verkäufern um den Finger wickeln und entscheiden sich vielfach für teurere Varianten.» Den wenigsten sei jedoch bewusst, wie sehr Sonderwünsche ins Geld gehen.

Tatsache ist aber auch, dass die Käufer oft schlecht beraten werden: wenn zum Beispiel einem Kaufinteressenten in der Badezimmerausstellung ein etwas grösseres Lavabo zu einem Mehrpreis von gerade mal 100 Franken angepriesen wird. Das böse Erwachen folgt, wenn sich die Mehrkosten am Ende auf 1000 Franken summieren, weil der Unternehmer sämtliche Leitungen und Abläufe neu verlegen muss, damit das Lavabo überhaupt Platz hat.

Keine «Zirka-Preise» vereinbaren

Cornel Tanno, Rechtsanwalt beim Zürcher Hauseigentümerverband, nennt noch eine weitere Ursache für Kostenüberschreitungen: «Angesichts des harten Wettbewerbs auf dem Bau kann es durchaus vorkommen, dass Firmen die Preise in ihren Offerten bewusst tief ansetzen, um den Auftrag akquirieren zu können.» Unter dem Strich sind Mehrkosten von 60 bis 70 Prozent möglich.

«Bei solch gravierenden Abweichungen liegt allerdings der Verdacht nahe, dass unseriöse Firmen am Werk sind. Denn Bauunternehmer, die schon länger im Geschäft sind, wissen, in welchem Rahmen sich die Kosten üblicherweise bewegen», sagt Tanno. In jedem Fall warnt er davor, «Zirka-Preise» abzumachen. Bei einer ungefähren Preisangabe riskiert der Auftraggeber laut einem Bundesgerichtsurteil, dass er einen Mehrpreis von zehn Prozent zu akzeptieren hat. Der Preis muss daher so präzis und verbindlich wie möglich definiert werden.

Laut Luzius Theiler hilft allerdings manchmal nicht einmal die Vereinbarung von Pauschalpreisen: «In jüngster Zeit stellen wir einen Trend fest, dass Mehrkosten immer häufiger unter dem Titel ‹Unvorhergesehenes› abgebucht werden.» So etwa, wenn ein Architekt behauptet, er habe nicht wissen können, dass das Objekt unter Denkmalschutz steht, obwohl es eigentlich zu seinen Kernaufgaben gehört, baurechtliche Abklärungen zu treffen und eine Baueingabe zu machen.

Abgesehen davon kommt es oft vor, dass Unternehmer die Verantwortung für Mehrkosten und Verzögerungen von sich weisen und stattdessen unvorhergesehene Probleme im Baugrund oder mit Altlasten vorschieben. Davor schützen kann man sich nur, wenn der Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass Baugrund- und Altlastenrisiken zulasten des Unternehmers gehen.

Pauschalpreise sind ohnehin nur so viel wert wie der dazugehörige Vertrag und Leistungsbeschrieb. Denn wenn das zu erstellende Bauwerk nur unzureichend definiert ist, droht ein Streit darum, welche Leistungen nun inbegriffen sind und was als Bestellungsänderung aufzufassen ist.

Änderung nur mit schriftlicher Zusage
Um dem leidigen Problem mit Änderungswünschen und ihren Mehrkosten Herr zu werden, empfiehlt Rechtsanwalt Tanno eine vertragliche Absicherung: «Bereits im Vertrag sollte man übereinkommen, dass jede Änderung eines separaten Vertrags bedarf, der von beiden Seiten zu unterzeichnen ist.» Getreu dem Motto: Wenn der Bauherr einer Änderung nicht schriftlich und in Kenntnis der Mehrkosten zugestimmt hat, ist nichts anderes als die Basisausführung des Projekts umzusetzen.

Was die Gesamtkosten eines Eigenheims betrifft, so führt auch die Unwissenheit der Käufer zu falschen Vorstellungen: In der Euphorie des Hauskaufs gehen erfahrungsgemäss viele Nebenkosten vergessen, etwa Handänderungssteuern, Spesen für den Abschluss einer Bankfinanzierung, Notariatsgebühren oder die Errichtung von Schuldbriefen.

Ein weiteres Beispiel hierfür sind die Vorbezüge von Vorsorgegeldern, denn die wenigsten kalkulieren die Steuerfolgen einer solchen Finanzierungshilfe mit ein. Bei Vorbezügen aus der zweiten oder dritten Säule zum Erwerb von Wohneigentum kommt zwar ein Vorzugssteuersatz zur Anwendung. Da die Steuer aber progressiv ist, ergeben sich je nachdem ansehnliche Beträge: Eine in der Stadt Bern wohnhafte Person, die einen Vorbezug von 250’000 Franken tätigt, muss rund 24’000 Franken Steuern zahlen; in Basel sind es beim gleichen Betrag über 22’000 Franken.

Quelle: www.beobachter.ch

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